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Fragestellung

Die Studie zum Thema Synästhesie beruht auf der Annahme, dass konkrete Beziehungen zwischen Farben und Klang hergestellt werden können. Dabei werden unter anderen die Unterschiede zwischen Synästheten und Nicht-Synästheten untersucht. Nach Erkenntnissen, empfinden Synästheten Klänge und dessen Farbzuordnung individuell und folgen keinerlei kulturell anerlenten Muster.

Wie aber verhält es sich mit der allgemein-menschlichen Ur-Synästhesie, die in jedem von uns steckt? Kann hier tatsächlich ein aussagekräftiger Querschnitt der Beziehung zwischen Farbe und Klang ermittelt werden?

Und inwieweit decken sich die Ergebnisse mit Synästheten, die tatsächlich die Fähigkeit besitzen, Sinne derart miteinander zu verknüpfen? Die Ergebnisse der Studie liefern einen Beitrag zur Beantwortung der Hauptfragestellung, die sich damit auseinander setzt, ob Farben und Klang so in Beziehung miteinander gesetzt werden können, dass sie das gleiche Befinden auslösen. Außerdem bieten sie Orientierung für die Erstellung drei verschiedener Sounds, die in der mobilen Applikation verwendet werden.

Untersuchungsplan

Neben der Musik-Farben-Synästhesie greift die Befragung auch die auditiv-visuellen Synästhesie auf. Mit Hilfe des Selbsteinschätzungsverfahrens werden diskrete Merkmale wie das Geschlecht und qualitative Merkmale, wie Grad der Kreativität, Wissensstand über die Thematik und eigene synästhetische Fähigkeiten abgefragt. Probanden entscheiden anschließend anhand der verschiedenen Parameter und dessen Hörbeispiele, welche Farben, Formen und Objekte mit ihnen assoziiert werden. Insgesamt stehen 12 Hörbeispiele zur Auswahl, 6 Akkorde und 6 Naturgeräusche. Während die Akkorde mit Farben bewertet werden sollen, stehen für die Naturgeräusche Attribute zur Auswahl, welche die Beschaffenheit des Klangs beschreiben. Da Farben natürlicherweise zahlreiche Farbabstufungen besitzen, wird der Proband gebeten, die am nähesten der Vorstellungen entsprechende Antwort zu geben. Die Verteilung der Online-Befragung findet zum Teil über soziale Netzwerke, wie Facebook und Instagram statt. Die Auswahl der Stichprobe geschieht daher weitestgehend per Zufall mit der Ausnahme der Befragung von Synästheten. Es kann geschlussfolgert werden, dass sich die Grundgesamtheit im kreativen Umfeld ansiedelt und wahrscheinlich hohe Internetaffinität besitzt. Das Ziel ist eine Befragung von ca. 150 Probanden. Primär handelt es sich um eine einfache Querschnittsuntersuchung. Da allerdings auch Synästheten befragt werden, wird ebenso ein Vergleich von zwei Gruppen stattfinden.

Erstellung der Umfrage

Die Studie kann über www.pixin.me aufgerufen und ausgeführt werden. Da über gängige Umfragetools, wie „SurveyMonkey“ oder „Typeform“ die Erstellung der Studie mit Einbettung der Sounds nicht möglich war, wurde die Studie auf einer eigens eingerichteten Website erstellt. Für das Arrangement diente ein WordPressystem und das Plugin „WP Survey and Quiz Tool“.

 

Erzeugen von Akkorden

Ein Akkord besteht aus mehr als zwei gleichzeitig abgespielten Einzeltönen. Durch das Spielen eines Akkords entsteht ein harmonischer Klang, welcher ein breites Frequenzspektrum abdeckt. In dem Fall der Studie wurden sechs Akkorde mit Dreiklängen erstellt – jeweils drei aus den Moll- und jeweils drei aus den Dur-Tonleitern des Quintenzirkels. Um ein vergleichbares Ergebnis zu erhalten, wurden die Akkorde mit dem gleichen Instrument belegt. Die Wahl des Instrumentes fiel hierbei auf das Piano. Für die Wahl der Akkorde wurde der virtuellen Piano Akkordanzeiger als Hilfe genutzt. Das Programm Abelton Live diente zur Erzeugung der Klänge. Damit der Proband sich nicht überfordert fühlt, wird in der Studie nur jede vierte Tonleiter abgefragt. Folgende Antworten standen für jeden Akkord mit einer Mehrfachauswahl zur Verfügung: violett, blau, türkis, grün, gelb, orange, rot und „Keine Ahnung“.

 

Naturgeräusche

Die Auswahl der Naturgeräusche wurde mit Hilfe von kostenfreien57 und kostenpflichtigen Musikdatenbanken getroffen. Klänge, wie Wellenrauschen, Vögelzwitschern, Regen, Windspiele, Unterwasser und Wasserplätschern sollen vom Probanden mit spitz, rund, wellig, eckig, weich, hart oder „Keine Ahnung“ beurteilt werden. Eine Mehrfachauswahl ist auch hier möglich. Die Einordnung der Klänge bezieht sich auf den Teil der auditiv-visuellen Synästhesie.

Durchführung

Um den Untersuchungsplan auf Machbarkeit zu prüfen, wurde im Vorfeld eine Voruntersuchung durchgeführt. Durch diese konnte festgestellt werden, dass mit ursprünglich zwölf abgefragten Akkorden der Proband überfordert war. Aus diesem Grund wurde die Anzahl auf sechs Akkorde aus verschiedenen Tonarten reduziert. Die eigentliche Studie fand vom 01.12.2016 bis 08.04.2017 statt. Am 09.03.2017 wurde die Studie aktiv geteilt in sozialen Netzwerken wie Instagram und Facebook, versendet über Mailverteiler und weitergegeben an Bekannte, Freunde und Verwandte. Laut Google Analytics ist anzunehmen, dass Probanden in diesem eingegrenzten Zeitraum aus den Ländern Deutschland, Österreich, Spanien, Frankreich, Italien, Griechenland, Kroatien, USA, Kanada, Brasilien, Indien, Australien und Malaysia an der Studie teilnahmen.

Auswertung der Studie

Insgesamt waren über einen Zeitraum von 5 Monaten 143 Probanden bereit, an der Studie teilzunehmen. Davon waren 67,13 % weibliche und 32,87 % männliche Teilnehmer, die mitwirkten. Die Stichprobe siedelt sich mit insgesamt 68 % im kreativen (22 %) bis sehr kreativen (46%) Umfeld an. Bei Befragung der Probanden, ob das Phänomen Synästhesie bekannt sei, waren 38,46% das Thema garnicht bekannt und nur 20,28 % hatten im Ansatz schon mal etwas von der Materie gehört. Nur 0,7 % (was genau einer Person entspricht) ist das Thema sehr bekannt und 13,99 % kennen sich mit der Thematik im Wesentlichen aus. Dieses Ergebnis deckt sich in etwa mit der Beantwortung der Frage, ob der Proband selbst synästhetische Fähigkeiten besitzt. Denn an der Studie nahmen auch 28 Synästheten teil. Die hohe Dichte der Synästheten in dieser Studie ist damit zu begründen, dass diese auch in zwei Facebook-Gruppen, die sich mit dem Thema Synästhesie beschäftigen, geteilt wurde. Gewöhnlich wird von einer Häufigkeit von ca. 0,05 % bis ca. 5 % ausgegangen. 60 Frauen sind nach Untersuchungen häufiger betroffen.

 

Vergleich der Dur- und Moll-Tonarten

 

 

Bei Betrachtung der ausgewählten Dur-Tonarten lässt sich insgesamt eine eindeutige Tendenz zu warmen Farben wie Gelb, Orange bis Rot feststellen. Bei D- und Fis-Dur ist der Anstieg zu Gelb eindeutig, während bei B-Dur 23,75 % auch Blau gewählt haben. Somit wird die Annahme, dass Dur-Tonarten nur warme Farben zugeordnet werden, widerlegt. Zu beachten ist, dass B-Dur allerdings als letzte Tonart abgefragt wurde. Das Gehör des Probanden könnte nach sechs Akkorden möglicherweise überanstrengt gewesen sein, was ebenso die hohe Zahl der Antwort „Keine Ahnung“ von 5,63 % erklären würde. Eine sehr eindeutige Antwort gaben die Befragten bei Fis-Dur. Bei dem Akkord aus Fis-Dur haben über ein Drittel mit 35,4 % für den Modalwert Gelb gestimmt.

 

 

Der Vergleich der Moll-Tonarten zeigt ebenso eine eindeutige Tendenz. Die Anzahl der Stimmen für Violett- und Blautöne ist wesentlich höher, als bei anderen Farben. Auch Grüntöne verzeichnen einen stärkeren Anstieg als Gelb, Orange oder Rot. Das Ergebnis steht somit konträr zu den Angaben der Dur-Tonarten. Eine Schwäche der Studie liegt darin, dass die Anzahl der Synästheten mit 28 Personen (ca. 20 %) recht gering ist gegenüber der Gruppe der Nicht-Synästheten. Trotzdem kann ein Vergleich gewagt werden. Grundsätzlich fällt auf, dass Synästheten wesentlich entschlossener handeln. Die Auswahl „Keine Ahnung“ wurde bei allen sechs Akkorden nur drei mal getroffen. Es kann auch festgestellt werden, dass die Mehrfachauswahl über das Übliche hinaus genutzt wurde. Die Diagramme der Farbangaben zeigen, dass die Farben teilweise konträr zu den Farbangaben der Nicht-Synästheten stehen. Im Falle vom A-Moll-Akkord liegen die Farben Gelb, Orange, Rot fast gleich auf mit violett und blau, während die Stimmenanzahl mit 41 für Violett und 43 für Blau bei den Nicht-Synästheten deutlich höher ist. Auch das Beispiel der Fis-Dur zeigt, für Gelb wurde ebenso am meisten gestimmt, allerdings spielen Farben wie Violett, Blau, Türkis und Grün ebenso eine tragende Rolle. Violett und Blau wird sogar höher bewertet, als von der Gruppe der Nicht-Synästheten. Insgesamt lässt sich feststellen, dass trotz der Unregelmäßigkeiten die Grundtendenz mit der der Nicht-Synästheten übereinstimmt.

 

Vergleich der Naturgeräusche

Bei der Gegenüberstellung der Naturgeräusche fällt auf, dass Meeresrauschen, Vogelzwitschern, Windspiel und Unterwasser eindeutigere Ergebnisse liefern, als die Geräusche des Regen und Wasserplätscherns. Hier fallen die Ergebnisse eher gemischt aus. Das Meeresrauschen wird mit wellig und weich assoziiert, während Regen sowohl mit eckig und hart als auch mit rund und weich beschrieben wird. Wenn die Ergebnisse derart gemischt ausfallen, könnte interpretiert werden, dass die Probanden das Geräusch als ausgeglichen empfinden. Helle und hohe Töne, wie beim Windspiel oder beim Vögelzwitschern werden überwiegend als spitz empfunden.

Fazit der Studie

Die Hypothese, dass konkrete Beziehungen zwischen Farben und Klang hergestellt werden können, kann im Allgemeinen bestätigt werden. Hauptsächlich werden Dur-Tonarten warme und Moll-Tonarten kühle Farben zugeordnet. Hohe Töne werden als spitz und dumpfe Töne als rund empfunden. In diesem Zusammenhang wäre es eine interessante Fragestellung für eine nachfolgende Untersuchung, wie die Studie ausgefallen würde, wenn diese in einem anderen Kulturkreis durchgeführt wird. In Hinblick auf die Gruppe der Synästheten lies sich feststellen, dass eine individuelle Wahrnehmung nur teilweise belegt werden kann. Tendenzen sind zwar vorhanden, allerdings hätte für einen aussagekrägtigen Querschnitt eine höhere Anzahl an Probanden teilnehmen müssen. Immerhin wurde deutlich, dass Synästheten wesentlich entschlossener in ihren Entscheidungen bei der Farbwahl sind.